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Mot. Schützenregiment der Bundeswehr aufgelöst

Die Soldaten werden den Schatten der Volksarmee nicht los



wird fortgesetzt ...

 

Die Chronik des
Motorisierten Schützen-
regimentes 7 der Nationalen
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letzte Aktualisierung: 18.12.2014

 

   


Höhepunkte der
Standortkameradschaft Marienberg
im Spiegel der Presse


1991


Freie Presse vom 30. März 1991:

Mot. Schützenregiment der Bundeswehr aufgelöst

Marienberg (str.). Die erste Phase des Übergangs von der ehemaligen Nationalen Volksarmee zur Bundeswehr wurde gestern nachmittag mit der Auflösung des Mot. Schützenregiments 7 abgeschlossen. Nach sechsmonatigem Dienst wurde gleichzeitig Regimentskommandeur Oberstleutnant Nickel und der 1. Kommandeur Major Wolf von ihren Funktionen durch den Divisionskommandeur der 7. Panzerdivision Dresden, General Wittenberg, entbunden. Mit der gleichzeitigen Aufstellung des Panzergrenadierbataillonses 371 und des gleichgegliederten aber stark gekaderten Panzergrenadierbataillons 372 sowie einer Jägerpanzerkompanie 370 wird Marienberg Garnisionsstadt bleiben. Das Kommando übernahm Oberstleutnant (OTL) Richter.

General Wittenberg übergab ihm nicht nur die Befehlsgewalt, sondern legte ihm vor allem die Menschen ans Herz, die einer strengen Führung bedürften, gleichzeitig aber das Recht auf Fürsorge, Gerechtigkeit und Geduld hätten.

Freie Presse 300391

(Zum Vergrößern der Ansicht bitte auf das Bild mit linker Maustaste klicken!)

Am Standort Marienberg wird künftig der Schwerpunkt auf die Ausbildung gelegt. Es genüge nicht, betonte der Divisionskommandeur, nur eine neue Uniform zu besitzen, die Fahne sowie das Kommando zu wechseln. Viel wichtiger sei der neue Geist und die Verantwortung, die Rechte und die Freiheit des deutschen Volkes zu schützen. General Wittenberg überbrachte gleichzeitig den Dank des Ministers für Verteidigung und Generalinspektors an die Truppen im Osten. für ihre geleistete materielle Unterstützung vor Ort während des Krieges am Golf. Bereits während der vergangenen sechs Monate habe es personelle Veränderungen im Regiment gegeben und in drei bis sechs Wochen sei endgültig entschieden, wer bei der Bundeswehr bleibt. Der Minister habe auch versprochen, so informierte General Wittenberg, und dies war sicherlich Musik in den Ohren der Angetretenen, daß das Weihnachts- und Entlassungsgeld in der gleichen Höhe wie im Westen gezahlt würde. "Man müsse halt drüben etwas abziehen, damit es wieder aufgeht".

Oberstleutnant Nickel ließ sein Regiment zum letzten Mal antreten, bevor er die geladenen Gäste zu einem Empfang bat. Er selbst wolle sich nicht verabschieden, ohne einen Rückblick auf das letzte halbe Jahr aus seiner Sicht zu geben.

Als er am 3. Oktober 1990 seinen Dienst in Marienberg antrat, habe er es als historische Herausforderung angesehen, diese wohl nicht einfache Aufgabe zu übernehmen. ("fp" berichtete) Auch heute, so OTL Nickel, sehe ich es noch genauso, denn noch ist die Zusammenführung zweier ideologisch unterschiedlich ausgebildeter, erzogener und geführter Armeen nicht abgeschlossen und sei als große Aufgabe zu sehen. Die Arbeit sei für ihn eine der schwierigsten und fordernsten, die er je zu bewältigen gehabt habe, gewesen. Auch heute möchte er die von Anfang an vernünftigen zwischenmenschlichen Beziehungen im Umgang miteinander nicht mehr missen. OTL Nickel habe persönlich spüren dürfen, daß ihm Vertrauen entgegengebracht wurde und das trotz für manchen schwierigen persönlichen Lebenssituation. Dafür bedankte er sich und verband dies gleichzeitig mit dem Wunsch, daß sich für alle hier die gegenwärtigen Schwierigkeiten in kurzer Zeit auflösen. Es gäbe auch hier schöne "Bilder", die es wert seien, sich dafür einzusetzen.

Als eine sehr menschliche und natürliche Art uns Weise dankte OTL Nickel seinen Kameraden, mit denen er gern zusammengearbeitet habe und die übergebenen Erinnerungsgeschenke und Aufmerksamkeiten sprachen für sich. Diese reichten vom "hölzernen Wanderburschen" über die Schulterstücke seine Balluniform, bis hin zu seiner Telefonnummer auf einem Plakat.

Persönlich bedankte OTL Nickel sich auch bei der Bürgermeisterin, Birgit Walther, für die Bemühungen ihrerseits. Auch sie ließ nicht unerwähnt, daß das Verhältnis zwischen Kommune und Regiment durch sein Wirken einen neuen Anfang nehmen durfte und überreicht ihm die Ehrenplakette der Stadt mit eingetragenem Wappen.

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Frankfurter Allgemeine vom 19. November 1991:                Logo_FAZ

Die Soldaten werden den Schatten der Volksarmee nicht los

Sie können den Kampf nur gegen andere „Kameraden“ gewinnen, dürfen es sich aber nicht anmerken lassen / Von Albrecht Prinz Croy

FAZ 191191

(Zum Vergrößern der Ansicht bitte auf das Bild mit linker Maustaste klicken!)

MARIENBERG, 18. November. „Cui bono?“ Ciceros denkwürdige Frage nach dem Nutzen füllt den niedrigen. rauchgeschwängerten Raum. Abgeschossen wie ein Pfeil, in Erregung über die lästigen Frager, die immer wieder die Vergangenheit zum Thema machen, wo doch jetzt allein die Zukunft zählen sollte. Für einen Moment will die Diskussion an diesem Punkt abbiegen und findet doch wieder zurück: Die vormaligen Offiziere der Nationalen Volksarmee der DDR, die sich vorerst zum Bleiben in der Bundeswehr entschlossen haben, entkommen dem Schatten ihres alten „Arbeitgebers“ nicht.
Wenig mehr als ein Jahr nach der Vereinigung der beiden Armeen hat der Kommandeur des Paniergrenadierbataillons 371 in Marienberg, dem südlichsten und wohl auch

kältesten Standort der Bundeswehr-Ost, zu einer Bilanz geladen. Oberstleutnant Richter, Offizier im Generalstab und aus dem Westen freiwillig in den Ort unweit der tschechischen Grenze gekommen, wartet mit Zahlen auf, die imponieren. Was ist in diesem einen Jahr geleistet worden? Zu NVA-Zeiten waren dort 1.843 Soldaten stationiert, am 3. Oktober, dem Tag auch der Vereinigung der beiden Streitkräfte, waren es noch 800. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen, viele waren „abgängig“, manche, die man dazugezählt hatte, meldeten sich ganz unverhofft von Lehrgängen in der Sowjetunion zurück. Dazu Unmengen bestens gepflegter Technik, Waffen, Ausrüstung und Munition. Noch im Oktober 1990 beeindruckte das Bild der 31 Panzer des Sowjettyps

 

T-72, die auf Gummiunterlagen in beheizten Hallen in Reih und Glied standen. Nichts mehr da, nur noch die Gummiunterlagen. Alles wurde und wird „abgeschoben“, wie die Bundeswehr die Verschrottung nennt.
Imponierend, gewiß, und doch dreht sich das Gespräch im holzgetäfelten Kellerraum der Kasernen-Kantine schnell um andere Zahlen: Von den 800 Soldaten im Oktober 90 waren 150 im Offiziersrang, im Mai 1991 gab es in der Kaserne noch 80, davon 17 mit einer Vergewaltigung der deutschen Sprache „Weiterverwender“ genannt -‚ die keine Chance auf Übernahme in die Bundeswehr haben, aber für einige Zeit noch mitgeschIeppt werden. Die NVA hatte ein riesiges Offizierkorps, die Linientreuesten hatten nach der Vereinigung ein Einsehen und verschwanden, der Rest

 
   

konnte sich für eine Übergangszeit von zwei Jahren bewerben, danach wird über eine Annahme als Zeit- oder Berufssoldat entschieden. Allein im Batallion 371 gibt es derzeit noch 43 Offiziere; in der Heeresstruktur fünf, nach der die Verbände in der Bundeswehr-Ost gegliedert werden, sind aber nur 24 vorgesehen. Nahezu jeder zweite also, der heute hier Dienst tut, muß nach Ablauf seiner vorläufigen Verpflichtungszeit gehen.
Das ist das eigentliche Problem nach einem Jahr Vereinigung: Menschen ringen um ihre Zukunft, sie können den Kampf nur gegen andere, gegen „Kameraden“ gewinnen, dürfen es aber nicht merken lassen. Sie ringen um eine Zukunft, die so ganz anders ist als ihre Vergangenheit, sie müssen diese bewältigen und können es doch nicht.

 

Jemand hat ein Fenster geöffnet, der Rauch zieht nur langsam ab. Die Fragen werden drängender, einige der betroffenen Offiziere mühen sich, ihrer Erregung Herr zu werden. Es ist demütigend, immer wieder erklären zu müssen, daß man der falschen Fahne gedient, der falschen Ideologie einen Eid geschworen hat. Es schmerzt, immer wieder sagen zu müssen, daß man vieles nicht gewußt habe oder aber nicht wissen wollte, daß man nun aber aus diesen Fehlern gelernt habe. Wozu auch?
Oberstleutnant Richter verteidigt die Antworten und zeiht die Frager der Selbstgerechtigkeit. Die Offiziere der NVA seien für die Ideologie nicht verantwortlich gewesen, sie hätten im treuen Glauben gedient, daher könne er einige Entscheidungen auch nachvollziehen. Die

 

Kommandeure, die alle aus der „alten“ Bundeswehr kommen, stehen unter großem psychischen Druck, den Richter nicht leugnet. Ihre Beurteilungen nach zwei Jahren können zum Fallbeil für die Kameraden werden. Richter versucht den Druck mit außerdienstlichem Engagement zu mindern. Er hat sich, trotz seiner Arbeitsüberlastung, zum Vorsitzenden eines Fördervereines zur Rettung der Marienkirche im Ort wählen lassen. Sein Einsatz in dieser Sache wird von der jungen Bürgermeisterin Marienbergs als vorbildlich gelobt. Es war diese Bürgermeisterin, die im Februar 1990 in einem offenen Brief den alten NVA-Regimentskommandeur zum Verschwinden aufgefordert und schweres Geschütz gegen die Bundeswehr aufgefahren hatte. Sie verhehlt nicht die

 
   

Schwierigkeit, der Bevölkerung Marienbergs die sichtbaren baulichen Veränderungen in der Kaserne zu erklären, bei knappen kommunalen Mitteln für die Restaurierung der eigenen Stadt. Sie gesteht ihre Enttäuschung, als der Hausherr der Kaserne ihren Antrag, Gebäude derselben der Stadt und damit einer zivilen Nutzung zur Verfügung zu stellen, abschmettert. Aber sie ist angetan von der Art, wie der Kommandeur das Gespräch sucht und den Kontakt hält. Auch in der Bevölkerung Marienbergs ist die Distanz zu den ehemaligen NVA-Soldaten offenkundig. Auf dem Hauptplatz, einem schönen, viereckig von teilweise neu gestrichenen Häusern gesäumtem Areal, ist Markt. Ins Auge fallen fliegende Händler, Koreaner, Tamilen, die in ihren Buden alles

 

feilbieten. Vor ausgestreckten Mikrophonen verstummen viele Gespräche, nur vorsichtig wird der Vorbehalt gegen die Soldaten geäußert. „Da oben“ seien doch noch die gleichen, und dies auch in der Bundeswehr.
Hauptmann Egdmann stellt sich die Gewissens-Frage nicht, obwohl er schon einige Jahre in Marienberg wohnt. Obwohl er als Offizier sogleich eine Wohnung bekam, obwohl seine Frau, die in Dresden Lehrerin an der Grundschule war, gleich nach der Hochzeit nach Marienberg versetzt wurde. Die Kombination Offizier und Lehrerin war in der alten DDR ein Passierschein für jede Art von Wohlsein. „Wir hatten doch alles, uns hat es an nichts gefehIt, wenn wir reisen wollten, fuhren wir nach Ungarn, dem Westen des Ostens“, sagt die junge Lehrerin. Und ihr Mann setzt

 

hinzu: „Wir haben aus diesm Grund über vieles nicht nachgedacht, vieles nicht in Frage gestellt.“ Das Paar ist symptomatisch für den Erklärungsnotsand, für die durch fast zu gute Rhetorik getarnte Hilflosigkeit. Der Bundeswehr-Offizier Egdmann „dient“, fragt vorerst nicht. Der NVA-Offizier Egdmann hat „gedient“, aber nicht gefragt: „Cui bono?“
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Artikel von Albrecht Prinz Croy in der Ausgabe vom
19. November 1991

 


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Quelle: private Sammlung Stabsfeldwebel a.D.d.R. Iwan Steer, Marienberg